Ignatius von Loyola (1491-1556): die Jesuiten – damals und heute

 

Prof. Dr. Josef Frickel – Vortrag bei der Föderation für Weltfrieden, am 31.10.2006

 

Vor 450 Jahren, am 31. Juli 1556, starb Ignatius von Loyola, der Gründer des Jesuitenordens. Aus diesem Anlass fand der folgende Vortrag statt. Das folgende Video wurde mit Unterstützung von ORF Religion (FeierAbend am 17. 04. 2006) gezeigt:

Ignatius hat seinen Weg der Nachfolge Jesu beschritten, der - offen für Gott und die Welt - auf den Dienst an den Menschen ausgerichtet ist. >>Video on Demand

 

"Ein Feuer auf die Erde zu werfen, bin ich gekommen, und wie wünsche ich, dass es schon entflammt werde" (Lk 12,49). (lat: Ignem veni mittere in terram, et quod volo nisi ut accendatur). Dieses Jesuswort, das im Evangelium des Lukas überliefert ist, steht in großen Lettern am Altar des Ignatius von Loyola in der Kirche "Del Gesù" in Rom, der Hauptkirche der Jesuiten, wo auch die Überreste des Heiligen verehrt werden.

 

Das Wort vom "Feuer", das Jesus auf der Erde entzünden will, hat Ignatius, und nach ihm der von ihm gegründete Jesuitenorden, die "Gesellschaft Jesu", nicht nur "geistig" verstanden. Wie Jesus der Christus, der "Gesalbte Gottes", wollen auch Ignatius und die Jesuiten die Mission Jesu in dieser Welt weiterführen. Daher ihr Name: "Societas Jesu", abgekürzt durch die bei den Buchstaben SJ, die jeder Jesuit hinter seinem Namen schreibt: er ist "Socius Jesu", Gefährte, Freund, Nachfolger Jesu in dieser Welt.

 

Dieses Wort vom "Feuer", das Jesus auf der Erde entfachen will, ruft auf zur Entscheidung. Nicht vom Feuer der Begeisterung, der feurigen Hingabe für das Reich Gottes ist die Rede, auch nicht vom Feuer des Gerichtes. Das Wort vom "Feuer" meint das Feuer der Zwietracht, das selbst die eigene Familie entzweit. Lukas hat das Jesuswort vom Feuer mit einem anderen Jesuswort verbunden, das ihm als Quelle vorlag. Dort geht es darum, Jesus nachzufolgen, auf Gedeih und Verderb, bis hin zur Entzweiung der Familie.

 

Ignatius und seine Nachfolger verstanden das Bild vom "Feuer" wörtlich so, wie es im Evangelium bei Lk und bei Mt heißt: "Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert; und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert" (Mt 10,37). Und: "Wer nicht sein Kreuz (auf sich) nimmt und mir nachfolgt, ist meiner nicht wert" (Mt 10,38; Lk 14,27).

 

Diese Worte aus dem Evangelium machen klar:

 

a) Es geht bei Ignatius und seinen Gefährten um eine radikale Nachfolge Jesu. Darum nannte die kleine Gemeinschaft sich von Anfang an „Compania de Jesus", d.h. eine Gruppe von Gefährten, die gemeinsam Jesus nachfolgen wollen. Ihr eigentlicher Führer, ihr "Capo", ihr "Haupt" ist Jesus. Nicht Ignatius war der Chef oder der jeweilige Generalobere des Ordens, auch nicht der Papst, dem die Jesuiten sich durch ein besonderes Gelübde verpflichten. Nein: das "Haupt" der Jesuiten ist Jesus Christus selbst. Er ist das Vorbild, an ihm nehmen sie maß, ihn versuchen sie, in ihrem Leben und Arbeiten ähnlich zu werden.

 

b) Ein zweiter Wesenszug des Ignatius und der Jesuiten kommt in dem spanischen Namen der "Gesellschaft Jesu" zum Ausdruck: "Compania de Jesus": er zeigt nicht nur die enge Gefährtenschaft ihrer Mitglieder an, sondern betont zugleich die militärische Organisation des Ordens. So gibt es nur einen einzigen Oberen, der gewählt wird: das ist der Generalobere des Ordens, kurz auch "Pater General" genannt. Er wird von den Mitgliedern der Generalkongregation gewählt, und zwar auf Lebenszeit. Seine Wahl wird vom Papst bestätigt. Alle anderen Oberen des Ordens, sei es auf überregionaler, regionaler oder lokaler Ebene, werden vom General (oder den vom ihm Ermächtigten) ernannt, normalerweise für sechs Jahre. Die Leitung des Ordens ist hierarchisch straff. Doch ist diese zentralistische Leitung nicht von Anfang an geplant gewesen, sondern mit den vielfältigen Aufgaben der Gesellschaft Jesu gewachsen.

 

Es ist daher an der Zeit, auf das Leben des Ignatius einzugehen. Sodann soll über den Jesuitenorden bis zu dessen Aufhebung im Jahre 1731 und in einem weiteren Schritt über den Orden nach seiner Neugründung und seine heutige Tätigkeit berichtet werden.

 

Wer war der Gründer der Jesuiten Ignatius von Loyola?

 

1) Erste Phase: Jugend und Offizier

 

Sein eigentlicher Name war Inigo Lopez de Onaz y Loyola. Er wurde 1491 in einer alten Adelsfamilie auf Schloss Loyola in der Nähe von San Sebastian in Spanien, genauer im Baskenland geboren. Es war eine Großfamilie mit elf Kindern, Inigo war der Letztgeborene.

 

Seine Geburt und seine Jugend fallen in eine Zeit großer Umwälzungen in Spanien. Ungefähr 20 Jahre vorher (1469) hatte Isabella, die Thronerbin des Königreiches Kastilien und Leon, den Thronerben des Königreiches Aragonien, Ferdinand, geheiratet. Diese Verbindung von Kastilien-Leon sollte der Grundstein des spanischen Nationalstaates werden. Unter diesen beiden gemeinsamen Herrschern, die man "die katholischen Könige" nennt, begann die sog. Reconquista, die Wiedereroberung Spaniens. Gemeint ist damit der Kampf der beiden christlichen Könige gegen die maurisch-islamische Herrschaft, die seit dem 8. Jhdt. Spanien erobert hatten und beherrschten. Diese "Reconquista" endete mit dem Fall der maurischen Hauptstadt Granada im Jahre 1492, kurz nach der Geburt Inigos. Das Bewusstsein, Besieger der Mauren und wieder Herren im eigenen Land zu sein, hat das Selbstbewusstsein und Lebensgefühl der Spanier entscheidend beeinflusst.

 

Im gleichen Jahr 1492 landete, im Auftrag der christlichen Könige, Christophero Columbus in Mittelamerika, später entdeckte er die Kleinen Antillen, Jamaika, Puerto Rico and das südliche Mittelamerika.

 

Der Enkel der "Katholischen Könige", der Sohn des Habsburgers Philipp des Schönen und der spanischen Erbtochter Johanna (genannt "die Wahnsinnige"), Karl von Habsburg, wurde im Jahre 1516, also mit 16 Jahren, als Karl I (Carlos primeros) nach seinen Großeltern König von Spanien. Vier Jahre später, im Jahre 1520, wurde er in Aachen von den deutschen Kurfürsten zum Römischen König gewählt und durch seine Krönung wurde er, mit dem Einverständnis des Papstes, zugleich "Erwählter Römischer Kaiser". Er ist als Karl V (1500 - 1558) in die Geschichte eingegangen. Als König von Spanien hatte Karl Mexiko und Peru erobern lassen und so das riesige spanische Kolonialreich in Amerika begründet. Er konnte zu Recht sagen: "In meinem Reich geht die Sonne nicht unter."

 

In diesem 16. Jhdt. war Spanien die erste Macht in Europe, ja die Weltmacht schlechthin geworden. Das "Siglo d'oro" war angebrochen, das "Goldene Jahrhundert", in dem Spanien der Welt große Künstler und Mystiker geschenkt hat. Und einer dieser großen Mystiker sollte Inigo von Loyola werden, dem wir uns jetzt wieder zuwenden.

 

Der junge Adelige kam mit 14 Jahren an den Hof des Großschatzmeisters von Kastilien und erhielt dort eine höfisch-ritterliche Erziehung. Fechten und Reiten waren großgeschrieben, aber auch Tanzen gehörte dazu. Es gab, auch Liebesabenteuer, Schlägereien und Ehrenhändel. Er schreibt später über diese Zeit: "Bis zum Alter von 26 Jahren war er ein den Eitelkeiten der Welt ergebener Mensch und vergnügte sich hauptsächlich an Waffenübungen, mit dem eitlen Verlangen, Ehre zu gewinnen."

 

Nach dem Sturz seines Dienstherren, der in Ungnade gefallen war, trat er in den Dienst des Vizekönigs von Navarra, in Nordspanien. Dort trifft ihn im Jahr 1521 ein Ereignis, das sein Leben radikal verändern wird. König Franz I. von Frankreich erhebt Gebietsansprüche gegenüber Spanien, er dringt in das Königreich Navarra ein und belagert sie Hauptstadt Pamplona. Obwohl die Stadt sich bereits ergeben hatte, überredete Inigo den Befehlshaber der Zitadelle, der französischen Übermacht Widerstand zu leisten. An Pfingsten 1521 wird Inigo beim Beschuss durch die französischen Geschütze verwundet eine Kanonenkugel zerschmettert ihm das rechte Bein unterhalb des Knies. Ohne Narkose wird er notdürftig operiert. Der Widerstand der Verteidiger brach zusammen, die Zitadelle von Pamplona musste sich ergeben. Die Sieger ehrten seine persönliche Tapferkeit und brachten den Schwerverletzten auf das väterliche Schloss Loyola.

 

2) Zweite Phase: Die Wandlung

 

Bald musste Indigo erkennen, dass mit seiner Verwundung auch seine militärische Laufbahn zu Ende war. Er vertrieb sich die Zeit mit dem Lesen von frommen Büchern, denn Romane

waren im Schloss nicht vorhanden. So las er halt das "Leben Christi" des Kartäusers Ludolf von Sachsen und ein Buch mit Heiligenlegenden, wobei ihn besonders das Leben des heiligen Franz von Assisi und das des hl. Dominikus faszinierten. Beide hatten zirka 300 Jahre früher (um 1200) die nach ihnen benannten Bettelorden gegründet, eben die Franziskaner und die Dominikaner.

 

Unter dem Einfluss dieser Heiligenlektüre begann der Offizier Inigo daran zu denken, selbst ein Leben wie diese faszinierenden Heiligen der Kirche zu führen. Das Ideal dieser großen Gestalten, arm zu sein wie Jesus von Nazarethfund wie sie ein Leben im Dienst Gottes zu führen, ohne feste Bleibe, erschien Inigo plötzlich als neuer Lebensinhalt.

 

Dabei machte der nunmehr 30 jährige auf seinem Krankenbett an sich selbst eine eigenartige Beobachtung. Immer wenn er das Leben der Heiligen betrachtet und daran denkt, ihr asketisches Leben nachzuahmen, verspürt er eine innere Zufriedenheit, eine Freude und ein Friede, nicht nur kurze Zeit, sondern eine Freude und ein Friede, die andauern. Wenn er dagegen an sein höfische und ritterliches Leben von früher denkt, an den Dienst am Hof einer schönen Dame, so macht ihm das zwar auch Freude, aber nur kurzfristig; bald aber machen ihn diese "weltlichen" Gedanken unzufrieden und traurig.

 

Inigo beginnt hier zum ersten Mal auf seine Gedanken und inneren Stimmungen zu reflektieren, und diese Erfahrungen werden für ihn zu einem Schlüsselerlebnis, das seine ganze zukünftige spirituelle Entwicklung prägen sollte. Diese persönliche Erfahrung führte Inigo zu den Grundideen des später von ihm verfassten "Exerzitienbuches". Er nennt dort die Reflexion darauf, dass bestimmte Regungen in uns Gefühle von Trost oder Trostlosigkeit auslösen "Unterscheidung der Geister".

 

3) Dritte Phase: Manresa

 

Als Inigo Februar 1522 einigermaßen genesen das elterliche Schloss verlässt, ändert er total sein bisheriges Leben. Er pilgert zunächst zu einem baskischen Wallfahrtsort{Aráuzazu) und gelobt dort Maria ewige Keuschheit. Dieses Gelübde ist Frucht seiner Heiligenlektüre: wie seine Vorbilder will er sich Gott allein widmen und weihen: irdische Liebe sieht er als Hindernis zur vollkommenen Gottesliebe. Dann geht er weiter, immer zu Fuß, zum Marienheiligtum der Benediktiner vom Montserrat, im Norden von Barcelona.

 

Drei Tage bereitet er seine Generalbeicht vor, die er vor einem der Patres ablegt. Diese Generalbeicht ist Ausdruck für Inigo, dass er sein früheres Leben hinter sich lässt und ein radikal neues Leben beginnt: ein Leben, das nunmehr ganz auf Gott und seinen menschgewordenen Sohn Jesus Christus ausgerichtet ist.

 

Die Generalbeicht markiert also den entscheidenden Wendepunkt, an dem der Christ den alten Menschen bewusst ablegt und ein neues Leben beginnt; ein Wendepunkt, von dem an er danach strebt, Jesus Christus immer ähnlicher zu werden: ein anderer Christus (alter Christus) zu werden. Als solcher Wendepunkt gehört die Generalbeicht auch wesentlich zu den Ignatianischen Exerzitien.

 

Vom Montserrat aus zieht sich Inigo in die nahe gelegene Ortschaft Manresa zurück, wo er außerhalb des Ortes wie ein Einsiedler lebt, fast ein ganzes Jahr lang. Er lebt vom Betteln. Gebet und strenge Bußübungen, wie er sie bei seiner Lektüre der Heiligenleben kennen gelernt hat, füllen seine Tage. Er fastet, oft notgedrungen, er geht im Bettlergewand, meist

barfuss, oft durchwacht er ganze Nächte; mehrfach am Tage geißelt er sich, um für seine Sünden körperliche Buße zu tun und um die Heiligen nachzuahmen .

 

Freilich, seine Schuldgefühle bleiben, trotz häufiger Beichten. Seine harte Askese ist Ichbezogen: es geht ihm vor allem um sein eigenes Seeleinheil. Ein mystisches Erlebnis, das er am Ufer eines Flusses bei Manresa hatte, reißt ihn schließlich aus seiner Introvertiertheit. Es wird ihm klar, dass er Gott durch den Dienst an seinen Mitmenschen besser dienen kann als durch seine asketischen Anstrengungen. Es ist ein fundamentaler Wandel für Inigo: aus dem introvertierten Asketen wird ein glühender Apostel.

 

Inigo bricht auf nach Jerusalem: dort, wo Jesus gelebt hat, will auch er leben; und dort will er auch die Ungläubigen, d.h. die islamischen Türken, zum Christentum bekehren. In Jerusalem findet Inigo mit seinen schwärmerischen Ideen bei den kirchlichen Oberen, denen er sich zur Verfügung stellen will, kein offenes Ohr. Denn: an Mission ist in dem von den Türken beherrschten Land nicht zu denken. Eine kleine Gruppe von Christen wird an den heiligen Städten geduldet, muss sich dafür aber still und unauffällig verhalten. So wird Inigo kurzerhand zurückgeschickt und findet sich bald darauf in Spanien wieder.

 

Aber sein Jerusalem-Experiment ist nicht umsonst gewesen. Es ist ihm klar geworden, dass er ohne Studium und ohne Priester zu sein wenig oder nichts tun kann, um den Menschen und ihren Seelen zu helfen. So lernt er Latein, die Sprache der Priester, und studiert (in Alcalá und Salamanca) Philosophie. Auch beginnt er, gleich gesinnte Gefährten um sich zu sammeln,

denen er in Gesprächen seine geistlichen Erfahrungen weiterzugeben ver-

sucht.

 

Bald fällt die kleine Gruppe, die ein einheitlich graues Kleid trägt, den kirchlichen Behörden auf, besonders weil sie ohne kirchliche Erlaubnis Katechismusunterricht erteilen. Es kommt zu einer kirchlichen Verurteilung: sie dürfen sich nicht wie Mönche oder Priester kleiden, auch der Katechismusunterricht wird ihnen für drei Jahre untersagt. Dieser Urteilsspruch ist für Inigo entscheidend, Spanien zu verlassen und seine Studien in Paris fortzusetzen.

 

4) Damit beginnt eine vierte Phase im Leben Inigos: Studien und Aufenthalt in Paris.

 

Sechs Jahre studiert er in Paris, Philosophie und Theologie. Es sind entscheidende Jahre, vor allem, weil es ihm hier gelingt, einen Kreis von gleich gesinnten Freunden zu finden, dem er seine in Manresa gewachsene Spiritualität vermitteln kann. Dieser Freundeskreis ist der Kern der späteren Gesellschaft Jesu. Sie wohnten, ihrer sieben, in Paris im selben Kolleg: fünf davon waren Spanier, einer Portugiese und einer Savoyarde, Petrus Faber oder Favre, der als einziger schon Priester war. Am Fest Mariae Himmelfahrt 1534, also am 15. August, legen diese sieben Studenten in einer Kapelle auf dem Montmartre private Gelübde ab, wobei

Faber die hl. Messe .1.05. Sie geloben Armut und ebenso Keuschheit. Gehorsam versprechen sie nicht, da sie ja keinen Oberen haben. Dafür versprechen sie sich gegenseitig, eine Pilgerfahrt ins Heilige Land zu machen.

 

Ignatius - so nennt sich Inigo von nun an - war also von seinem frommen Wunschdenken noch nicht geheilt. Sollte diese Pilgerfahrt j6doch scheitern, so wollten sie nach Rom gehen und sich dort dem Papst für seelsorgerliche Arbeit zur Verfügung stellen. Gedanken an eine Gegenreformation waren den sieben Freunden fremd. Diese Idee wurde erst während des Reformkonzils, das von 1545 bis 1563 in Trient tagte, aktuell.

 

Die geplante Pilgerfahrt ins Heilige Land fiel auf Grund der politischen Lage ins Wasser, so reisten die sieben Freunde nach Rom. Eine weitere mystische Vision, die Ignatius in der kleinen Kirche "La Storta" kurz vor Rom, widerfuhr. bestärkte ihn in dem Entschluss, mit seinen Gefährten nach Rom zu gehen: Er sieht sich von Gott-Vater dem  gekreuzigten Jesus zugesellt und er glaubt dabei, (innerlich) die Worte zu hören: "Ich werde euch in Rom gnädig sein" (Viele barocke Bilderhaben in Jesuitenkirchen diese Vision festgehalten).

 

In Rom werden die jungen Akademiker aus Paris, die inzwischen alle zu Priestern geweiht worden waren, vom dem Farnesepapst Paul III. (1534 - 1549) freundlich aufgenommen. Er machte gerne von ihrem Angebot Gebrauch und bestätigte die "Gesellschaft Jesu" als neuen Orden der katholischen Kirche. Das tat er, obwohl derselbe typische Merkmale der bisher in der Kirche beheimateten Orden nicht mehr beibehielt. So verzichtete die junge „Gesellschaft“ auf das gemeinsame Chorgebet, das in den alten Orden selbstverständlich war, aufgrund ihrer seelsorgerlichen Arbeiten.

 

Auch will die neue Gemeinschaft kein eigenes Ordenskleid: sie kleiden sich in einem einfachen schwarzen Gewande, wie die sog. Weltpriester. Für die junge Gesellschaft steht die aktive Arbeit in der Seelsorge im Vordergrund, nicht das beschauliche Leben der alten Orden. Der Orden verlangt zwar von seinen Mitgliedern auch eine tägliche Meditation, meist am frühen Morgen (vielfach für die Dauer von einer Stunde; soweit möglich), aber die konkrete Arbeit mit den Menschen steht im Vordergrund.

 

Di e kleine Gruppe hatte sich also entschlossen, sich als eigenen Orden zu konstituieren, dessen erstes Ziel die Verkündigung des christlichen Glaubens und die Vertiefung desselben ist. Nicht mehr Selbstheiligung durch Askese und Kontemplation ist ihre Devise, sondern Selbstheiligung durch Apostolat an den Menschen. 1541 wählt die kleine Gemeinschaft Ignatius von Loyola zu ihrem ersten Generaloberen, sein Amtssitz ist in Rom, um jederzeit dem Papst zur Verfügung stehen zu können. Damit beginnt eine neue Epoche für Ignatius, die zugleich eine erste Phase der neu gegründeten "Gesellschaft Jesu" ist: des Jesuitenordens.

 

Die Gesellschaft Jesu: Ihre Haupttätigkeiten bis zu ihrer Aufhebung im Jahre 1773

 

1) Ignatius in Rom: Wirken und Tod

 

Ignatius selbst blieb in Rom, wo er sich besonders für ehemalige Prostituierte einsetzte. Ebenso für gefährdete Jugendliche, für Arme und Waisen. Er gründete Häuser für diese Randgruppen der menschlichen Gesellschaft. und versuchte, sie wieder in das normale Leben zu integrieren.

 

Vor allem aber war es seine neue Funktion als Generaloberer des Ordens, die seine Zeit zunehmend in Anspruch nahm. Er wurde beauftragt, eine Art "Regel" für den neuen Orden, die sog. Konstitutionen, zu verfassen. Dies war für Ignatius nicht eine wissenschaftliche Arbeit, sondern eine im höchsten Maße spirituelle Aufgabe. Immer wieder sucht er im Gebet mit Hilfe der von ihm erfahrenen "Unterscheidung der Geister" die richtige Formulierung zu finden, die dem Willen Gottes am besten entsprechen könnte.

 

Mit Hilfe seines Sekretärs, des Spaniers Juan de Polanco, ist ihm die Abfassung der "Konstitutiones" gelungen. Gleichzeitig oblag ihm die Leitung des rasch sich ausbreitenden jungen Ordens, der in den ersten hundert Jahren nach seiner Gründung ein geradezu phänomenales Wachstum erlebte. Überall in Europa strömten Idealistische, vor allem junge Menschen dem neuen Seelsorgeorden zu, Akademiker und Adelige, die sich den Idealen des Ordens weihten und seine neuen Aufgaben mittragen wollten, sei es in der beginnenden Mission in Asien, Afrika und Amerika, sei es in der neuen Bewegung der Gegenreformation, die in den protestantisch gewordenen Ländern Mittel- und Nordeuropas während des Reformkonzils von Trient einsetzte.

 

Beides, Mission und Gegenreformation, waren gewaltige Aufgaben, die Ignatius und seine Gefährten ursprünglich nicht ins Auge gefasst hatten, die ihnen jetzt jedoch zeitbedingt von der "göttlichen Vorsehung" geradezu zugewiesen wurden. Als Oberer des Ordens hatte Ignatius dieses immer größer werdende Apostolat des Ordens zu koordinieren und zu leiten, was ihm dank der Hilfe seines Sekretärs möglich war. Mehr als 7000 Briefe von Ignatius sind erhalten, Zeugnis des riesigen Arbeitspensums, das er bewältigte. Als er am 31. Juli 1556 in Rom stirbt, war Ignatius ein von Krankheit und Arbeit verbrauchter Mann. Er starb allein, allein mit seinem Schöpfer, so wie er alle großen Entscheidungen seines Lebens getroffen hatte.

 

2) Ignatius und seine "Geistlichen Übungen"

 

Ignatius und der Jesuitenorden sind nicht zu verstehen ohne die "Geistlichen Übungen", die sog. Exerzitien. Darum soll hier auch ein kurzes Wort über die "Ignatianischen Exerzitien" gesagt werden, die bei der "Unterscheidung der Geister" und bei der "Lebensbeichte" (bzw. Generalbeicht) des Ignatius in Manresa und Montserrat schon angesprochen wurden.

 

Vor allem: die Ignatianischen Exerzitien sind langsam entstanden: in einem Zeitraum von ungefähr 14 Jahren, zwischen 1522 und 1535. Sie sind die Frucht der mystischen Erfahrungen Inigos, vor allem in dem Jahr von Manresa, aber auch in Paris, wo Ignatius seine geistlichen Übungen an und mit seinen Freunden ausprobierte.

 

Vorab: das Exerzitienbuch ist keine übliche spirituelle Literatur, zur geistlichen Erbauung des Lesers geschrieben. Es ist vielmehr ein Handbuch eine kurze Anleitung für den, der anderen diese geistlichen Übungen vorträgt, sie also anleitet. Man muss diese geistlichen Übungen machen, sie üben, sie nicht nur lesen! Nach dem bekannten Jesuiten Karl Rahner, der 1984 in Innsbruck gestorben ist, gehört die in dem Exerzitienbüchlein verborgene Theologie zu den "wichtigsten Grundlagen des abendländischen Christentums der Neuzeit".

 

Es geht Ignatius dabei - wie in seinem eigenen leben - um eine radikale Lebensentscheidung. In ihr soll der Mensch Gott (der Gottheit) persönlich gegenübertreten und sich ganz persönlich vor Gott entscheiden. Wozu? Zu einem Leben für Gott, oder zu einem Leben gegen Gott. Dazu muss der Mensch in diesen Exerzitien sich Gott persönlich stellen, d.h., er muss Gott unmittelbar erfahren: ohne Mittelsperson, ohne Priester, ohne Vermittlung der Kirche. Das soll in der persönlichen Begegnung mit Jesus geschehen, der für uns gekreuzigt wurde und für uns auferweckt wurde.

 

Entscheidend ist in den Exerzitien die Frage: Was will Gott in meinem leben von mir persönlich? Von mir ganz persönlich? Was habe ich in der unendlichen Vorsehung zu tun? Was ist Sinn und Aufgabe meines einzigartigen Lebens?

 

Das ist die absolut existentielle Frage der geistlichen Übungen. Sie soll den Menschen hinführen zu einer ganz existentiellen, ganz persönlichen Entscheidung, eine Entscheidung, die mein gesamtes Leben radikal angeht. Ich muss also meine konkrete Aufgabe, meine Lebensaufgabe, erkennen. Ich muss mein Leben "ordnen'.

 

Nach den Exerzitien soll der Mensch in die Welt zurückkehren, um diese seine Lebensaufgabe zu erfüllen, mit Gottes Hilfe. Sei es in der Ehe also verheiratet, sei es ehelos, was in den Augen Inigos als Mensch das 16. Jhdts. natürlich vollkommener ist. Manches im Exerzitienbuch ist aus der Sicht des spanischen Edelmannes formuliert. So versteht er Gott grundsätzlich als „Göttliche Majestät". Er bedarf keiner Gottesbeweise. Gott ist selbstverständlich der absolute "Herr" aller Dinge, der Schöpfer des Himmels und der Erde.

 

Daher steht lapidar am Anfang der Exerzitien "als Prinzip und Fundament" der Satz:

"Der Mensch ist geschaffen - dazu hin, Gott Unseren Herrn zu loben, Ihm Ehrfurcht zu erweisen und zu dienen, und damit seine Seele zu retten."

Weiter heißt es: "Die anderen Dinge auf der Oberfläche der Erde sind zum Menschen hin geschaffen, und zwar damit sie ihm bei der Verfolgung dieses Zieles helfen, zu dem er geschaffen ist."

Hieraus folgt: "dass der Mensch dieselben (d.h. alle Dinge) so weit zu gebrauchen hat, als sie ihm auf sein Ziel hin helfen, und sie so weit lassen muss, als sie ihn daran hindern."

 

Hier hat Ignatius ein Prinzip formuliert, das wie ein roter Faden die ganzen geistlichen Übungen durchzieht. Denn: dieses Prinzip soll das ganze Leben desjenigen prägen, der diese Exerzitien macht.

Noch einmal: "Der Mensch (hat) alle Dinge so weit zu gebrauchen, als sie ihm auf sein Ziel hin helfen und (er) hat sie so weit zu lassen, als sie ihn daran hindern".

Das ist das ganze "Prinzip und Fundament" der geistlichen Übungen des Ignatius.

 

3) Missionstätigkeit des Ordens

 

Wie schon erwähnt, war die Missionierung der neu entdeckten Länder von Ignatius und seinen Gefährten ursprünglich nicht explizit geplant. Eine Bitte des Königs von Portugal an Ignatius, Missionare nach Indien zu schicken, war der Beginn einer Missionstätigkeit, die innerhalb der nächsten 200 Jahre die "Gesellschaft Jesu" zum größten Missionsorden innerhalb der katholischen Kirche machen sollte.

 

Ignatius sandte einen seiner besten Gefährten aus Paris, den Spanier Franz Xaver, der 15 Jahre jünger als Ignatius selbst war. Anfang Mai 1542 landete Franz Xaver in Goa an der Westküste Indiens: nach der Entdeckung und Eroberung der (neuen) Welt begann die geistige und geistliche Eroberung dieser Länder.

 

Franz Xaver reiste mit Vollmachten des Papstes und begann, mit Hilfe von Dolmetschern, eine ausgedehnte Predigttätigkeit. Er taufte Tausende von Einheimischen, außer in Gor auch in Cochin, Ceylon, Malakka, selbst in Japan, wo er auch zu Buddhisten persönliche Kontakte hatte. Daneben schrieb er sehr viele Briefe nach Rom, die dort abgeschrieben und weitergegeben wurden. Eine großartige Publizität für die Mission im Mittleren und Fernen Osten, und natürlich auch für den jungen Orden selbst. Jahr für Jahr folgten ihm bald junge Jesuiten nach Indien.

 

In Goa wurde ein eigenes Seminar gegründet, das bald zum Zentrum der Indienmission des Ordens wurde, ja in der Folge der Ausgangspunkt der gesamten Asienmission des Ordens, die innerhalb weniger Jahrzehnte aufgebaut wurde.

 

Damals begann auch ein erster Dialog zwischen den verschiedenen Religionen. Im Jahr 1590 lud der Mogul Akbar der Große, eine Art Kaiser von Indien, Vertreter aller in seinem Reich ansässigen Religionen zu einem Glaubensgespräch ein. Jesuiten aus Goa nehmen daran als Vertreter der christlichen Religion teil. Tatsächlich schwebte dem Mogul eine Art "Einheitsreligion“ vor, welche die positiven Elemente aus allen Religionen enthalten sollte. Diese auf dem Hintergrund des Hinduismus nur zu verständliche Idee, konnte von Vertretern solcher Religionen, die ein Wahrheitsmonopol für sich in Anspruch nehmen, freilich nicht geteilt werden. So blieb dieser großartigen Initiative der Erfolg versagt. Ähnlich wie in Indien und Fernost gründeten Jesuitenmissionare Missionsstationen in Südamerika und Mittelamerika.

 

4) Chinamission und Ritenstreit

 

Vierzig Jahre nach der Ankunft Franz Xavers in Indien begann die Mission der Jesuiten in China (1581), in dem Reich, das vorher Europäer nicht betreten durften. Ihre Missionsmethode beruhte dort, mehr noch als zuvor schön in Indien, auf dem Prinzip der Akkomodation. Das heißt, dass die jeweilige kulturelle Situation, die einheimische Mentalität, bei der Verkündigung der christlichen Botschaft berücksichtigt werden sollte.

 

Dieses „Akkomodationsprinzip“ ist mehr als schlaue Diplomatie! Vielmehr achtet dieses Prinzip die jeweilige Kultur anderer Völker, denen die Frohbotschaft als Evangeliums verkündet werden muss. Christliche Mission soll nicht Europäisierung sein, sondern Inkulturation des Evangeliums, d.h. Einfügung der Frohbotschaft in die jeweilige Kultur eines Landes, eines Volkes.

 

Das setzt voraus, dass die Missionare selbst erst einmal die Kultur und die Sprache des Missionslandes kennen lernen müssen! Denn nur so können sie herausfinden, was in der neuen Kultur mit der christlichen Botschaft vereinbar ist und was nicht. Es geht also darum, das kulturelle Erbe fremder Völker zu respektieren und für die Verbreitung der "Frohen Botschaft" zu nützen.

 

Solche "Inkulturation des Evangeliums" gelang den Jesuiten zuerst in Indien, dann aber vor allem bei der Missionierung Chinas. Es waren besonders die bedeutenden Leistungen einiger Jesuiten des 16. und 17. Jahrhunderts, die diese Inkulturierung vollzogen haben. Unter ihnen verdienen die beiden italienischen Patres Robert de Nobili (1577 - 1656) und Matthäus Ricci (+ 1610), sowie der Deutsche Adam Schall von Bell (+ 1666) genannt zu werden. Diese Missionare waren Priester und Gelehrte zugleich. die wissenschaftliche Traktate über Optik. Astronomie und Musik veröffentlichten. Sie waren bei den chinesischen Gelehrten hoch angesehen. Schall reformierte den chinesischen Kalender und wurde vom Kaiser zum Hofastronom ernannt. Viele Chinesen bekehrten sich zur christlichen Religion.

 

Vierzig Jahre arbeiteten die Jesuiten allein in China. Ihre Arbeit war von Erfolg gesegnet. Sie waren vertraut mit den Sitten des Landes, sie beherrschten die chinesische Sprache. Doch mit dem Eintreffen anderer christlichen Missionare, vor allem Franziskaner und Dominikaner, begann der verhängnisvolle Ritenstreit, der über hundert Jahre dauern sollte. Er behinderte die christliche Mission in China und endete schließlich mit einem definitiven Verbot des Papstes der Akkomodationsmethode der Jesuiten (1742). Die kirchliche Aufhebung des Jesuitenordens im Jahre 1773 bedeutete für die christliche Mission des Ordens in China das endgültige Aus.

 

Worum ging es bei diesem Riten- oder Akkomodationsstreit wirklich? Zwei Punkte machten die neuen Missionare den Jesuiten zum Vorwurf:

 

1) da war erstens der chinesische Name Gottes "Tien-tschu", was "Herr des Himmels" bedeutet, da die chinesische Sprache keinen Eigennamen für Gott kennt. Die Gegner behaupteten, damit sei der materielle Himmel gemeint, nicht aber der persönliche Schöpfergott.

 

2) Der zweite Streitpunkt war die große Nachsicht der Jesuiten gegen manche Gebräuche der Ahnenverehrung, die im Volke unantastbar waren. So versammeln sich z.B. an bestimmten Tagen alle Mitglieder einer Familie in einem Saal, um ihre Voreltern zu ehren. Dabei werden Opfer verrichtet, man verbrennt Weihrauch und schlachtet Tiere, welche darauf in einem gemeinsamen Mahl gegessen werden. Dieser Brauch gründet sich auf die fast göttliche Verehrung und Achtung, welche die Chinesen von jeher für ihre Ahnen gehabt haben. Er wird in jeder chinesischen Familie beachtet.

 

Die Jesuiten haben diese tief verwurzelten Gebräuche als Ausdruck bürgerlicher Ehrfurchtsformen gegenüber den Verstorbenen gedeutet, wie das auch die Intellektuellen in China tun. Sie sahen darin nicht einen spezifisch religiösen Brauch, der dem Christentum widersprochen hätte. Die Franziskaner und Dominikaner dagegen deuteten diese Form der Ahnenverehrung als religiösen Kultakt, der daher als abergläubisch und unchristlich abzulehnen und den Christen zu verbieten sei.

 

Kurz: Die Meinung und Toleranz der Jesuiten wurde nach langem hin und her schließlich offiziell von Rom verurteilt. Damit zog sich die Kirche zugleich die Feindschaft des chinesischen Kaiserhauses zu, die mit ein Grund für das Scheitern der christlichen Chinamission werden sollte. Die kirchenoffzielle Aufhebung der Jesuiten durch Papst Klemens XIV (1773) bedeutete für die Mission des Ordens das Ende.

 

5) Der Jesuitenstaat in Paraguay

 

Im Rahmen der Jesuitenmission muss auch der sog, Jesuitenstaat in Paraguay erwähnt werden. Dort hatte Spanien den Jesuiten 1609 ein eigenes Territorium überlassen, und diese hatten dort eine Art theokratischen Staat aufgebaut, der planwirtschaftlich organisiert war. Dort hatten die Jesuiten, Patres und Brüder, versucht, die ca. 100.000 bis 150.000 Indianer, die bisher als Nomaden lebten, sesshaft zu machen, indem sie Siedlungen für sie errichteten, natürlich mit Hilfe der Indianer selbst, die unter Anleitung der europäischen Missionare arbeiteten. Im Laufe der Zeit entstanden so ca. 30 Reduktionen, die jeweils ihre eigene Infrastruktur hatten: eine Kirche als Zentrum des Dorfes, eine Schule, Lebensmittelmagazine, medizinische Betreuung usw. Das ganze System basierte auf der Naturalwirtschaft und auf dem Tauschhandel.

 

Den Jesuiten ging es bei diesem Experiment darum, die Indianer zu geregelter Arbeit zu erziehen, zunächst in der Landwirtschaft, aber auch handwerkliche Tätigkeiten brachte man den Leuten bei. Da man die Vorliebe für Musik bei den Einheimischen entdeckte, organisierte man eigene Musikkapellen, die bei Festen und Prozessionen aufspielten, aber auch die Arbeit auf den Feldern ging mit Musikbegleitung besser voran.

 

Die Erfolge waren jedenfalls außergewöhnlich. Die Indianer fühlten sich als Menschen ernst genommen. Grund und Boden waren Gemeineigentum, genau wie es die Jesuiten mit Ihren Gelübden selbst hielten, die auf persönlichen Besitz verzichteten.

 

Doch auch dieses vorbildliche Entwicklungsprojekt sollte nach 160 Jahren ein trauriges Ende finden. Benachbarte Siedler aus Europa missgönnten den Jesuiten von Paraguay ihre Erfolge. Immer wieder verübten sie Raubüberfälle auf die Reduktionen, verschleppten Indianer auf ihre eigenen Siedlungen, wo diese praktisch als Sklaven unter den aus Europa gekommenen Kolonialherren ausgebeutet wurden.

 

Mitte des 18. Jhdts. wurde die Feindschaft einiger europäischer Mächte gegen den Einfluss des Jesuitenordens so groß, dass sich die Reduktionen in Paraguay nicht mehr halten ließen.

 

So vertrieb bereits 1759 der Minister Pombál (1699-1782), der als aufgeklärter Absolutist ein erbitterter Feind der kirchlich-konservativen Jesuiten war, den Orden aus Portugal. Bald darauf (1764) folgte Frankreich diesem antikirchlichen Beispiel und 1767 wiesen die Bourbonen in Spanien die Jesuiten aus ihren Ländern aus. Dies bedeutete das Ende der südamerikanischen Missionen, vor allem auch des Jesuitenstaates in Paraguay. Das Land wurde von der spanischen Krone eingezogen, die Jesuiten unter erniedrigenden Umständen des Landes verwiesen.

 

Mit diesem kurzen Überblick über die weite Missionstätigkeit des Ordens haben wir uns zeitlich bereits über 200 Jahre von der Gründung der "Gesellschaft Jesu“ im Jahre 1540 entfernt. Doch die Gesellschaft Jesu war ja nicht nur ein Missionsorden. Wenigstens ebenso bedeutend war seine Bedeutung in der Gegenreformation, die, wie schon erwähnt mit dem Reformkonzil von Trient einsetzte und die wir kurz aufzeigen wollen.

 

6) Der Orden in der Gegenreformation

 

Der Jesuitenorden ist nicht als Instrument der Gegenreformation gegründet worden. Dass er es trotzdem wurde, kommt von dem besonderen Papstgelübde, in dem sich die Mitglieder des Ordens dem Papst für besondere Aufgaben zur Verfügung stellen, Und diese Aufgabe war um die Mitte des 16. Jhdts., die ganz oder teilweise im Protest gegen Rom evangelisch gewordenen Länder nördlich der Alpen wieder zur Katholischen Kirche zurückzuführen.

 

Das ging freilich nur in jenen Ländern, wo der Landesfürst selbst katholisch geblieben war. Ohne die Hilfe und vor allem die finanzielle Unterstützung der katholischen Landesfürsten lief in der Gegenreformation gar nichts mehr. Ich beschränke mich hier auf die damals katholischen Länder, und dabei vor allem auf die österreichischen Erblonde der Österreichischen Habsburger, einschließlich der Königreiche Ungarn und Böhmen.

 

Den Anfang machte der Herzog von Bayern, der 1549 - also kurz nach der päpstlichen Anerkennung der Gesellschaft Jesu, einige Patres nach Ingolstadt kommen ließ, wo er ein eigenes Kolleg, d.h. Schule mit Internat zum Wohnen errichten ließ. Zusätzlich übernahm ein Jesuit den Lehrstuhl für Theologie an der schon bestehenden Universität Ingolstadt. Es ging dabei darum, die "unverfälschte" katholische Theologie wieder zu verbreiten und durch entsprechend ausgebildete Priester wieder unter das Volk zu bringen.

 

Österreich folgte diesem Beispiel. Erzherzog Ferdinand, der Bruder von Kaiser Karl V. und spätere Kaiser Ferdinand I. berief 1551 die Jesuiten nach Wien, um die Gegenreformation durchzuführen. Zehn Jahre später, 1562, kamen die Patres nach Innsbruck, und weitere zehn Jahre danach, 1572, berief Erzherzog Karl von Innerösterreich die Jesuiten nach Graz, wo er ihnen zuerst die Seelsorge on der Hofkirche übertrug. Wenige Jahre später, 1585, betraute Karl die Jesuiten mit der Leitung der von ihm neu gegründeten Universität in Graz.

 

Wien, Innsbruck und Graz, das waren die drei Landeshauptstädte jener drei Landesteile, in die Kaiser Ferdinand die österreichischen Erbländer unter seine drei Söhne aufgeteilt hatte. Etwas später kamen noch Niederlassungen des Ordens in Linz und Klagenfurt dazu. Man erkennt unschwer die kluge Religionspolitik der Habsburger in der Gegenreformation.

 

Überall in diesen Landeshauptstädten gründeten die Jesuiten Schulen und Kollegien zum Wohnen für die Studenten. Hier wurden die Zöglinge, Söhne des Adels und des gehobenen Bürgertums, nicht nur in den klassischen Sprachen und den Naturwissenschaften unterrichtet, sondern besonders im Geist der katholischen Gegenreformation erzogen. Grundsatz des Ordens war es, die Söhne der Führungsschicht zu treuen und überzeugten Katholiken heran zu bilden, und somit die führenden und maßgebenden Köpfe der zukünftigen Generation für die katholische Erneuerung einzusetzen.

 

Dieses Prinzip der Elitenbildung leitete - und leitet auch heute noch - die seelsorgliche und 'vor allem die wissenschaftliche Tätigkeit des Ordens. So wirkten schon vom 16. Jhdt. an viele Jesuiten als Beichtväter und Berater von katholischen Fürsten und von deren Familien.

Andere Patres waren als Spirituäle, d.h. als geistliche Führer von künftigen Priestern tätig. Besonders diese, letzte Tätigkeit war eine Frucht des Reformkonzils von Trient, das die Einrichtung von sog. Priesterseminaren empfohlen hatte. Viele Jesuiten waren außerdem als Wissenschaftler und Prediger tätig. Kurz: der Orden war die eigentliche Seele der katholischen Gegenreformation geworden.

 

7) Die Aufhebung des Ordens 1773

 

Die vielfältige Tätigkeit des Ordens hatte als Nebenwirkung, dass der Orden zunehmend an politischem Einfluss gewann. Vor allem dos Wirken als Beichtväter und Berater von Fürsten ließ sie indirekt auch auf politische Entscheidungen Einfluss nehmen. Das führte nicht selten zu Konflikten, gerade auch mit katholischen Regierungen.

 

Vielfach bekämpften Jesuiten die Ideen der Aufklärung, in denen sie eine Bedrohung der geistlichen Vormachtstellung der Kirche erblickten. Materieller Reichtum und gelegentlich auch finanzielle Verfehlungen einzelner Patres kamen hinzu. So kam es in der zweiten Hälfte des 18. Jhdts. zu einer wachsenden Gegnerschaft, die schließlich zur Vertreibung der Jesuiten aus einigen europäischen Ländern und deren Kolonien in Übersee führte. Dabei fielen die Besitzungen des Ordens an diese Länder. Am Ende brachte die Gegnerschaft der bourbonischen Fürstenhöfe dem neuen Papst Clemens XIV. dazu, den Jesuitenorden 1773 durch ein eigenes Dekret (Dominus ac Redemptor) offiziell aufzuheben. Die Tätigkeit des Ordens war zu Ende.

 

In manchen Ländern wurden die Jesuiten verhaftet oder deportiert, einige wurden umgebracht. In Rom kam der Generalobere des Ordens in entwürdigende Festungshaft. Andere Länder, z.B. Bayern, erlaubten den Patres die Seelsorge als Weltpriester. Andere Jesuiten schlossen sich unter anderen Namen zu religiösen Genossenschaften zusammen. Kurz: Offiziell war der Orden tot, aber er war doch nicht ganz tot.

 

Am wenigsten tot war der Orden in zwei nicht-katholischen Ländern, die sich um das päpstliche Dekret nicht kümmerten. Das war im protestantischen Preußen unter Friedrich dem Großen und im orthodoxen Russland der Zarin Katharina II. Besonders in Russland lebte der Orden weiter. Er unterhielt dort ein eigenes Noviziat für den Ordensnachwuchs, hatte einen

eigenen Generalvikar. Nicht ganz 30 Jahre nach seiner Aufhebung bestätigte 1801 ein anderer Papst, Pius VII, den Fortbestand des Ordens in Russland. Schließlich wurde der Orden durch denselben Papst 1814 feierlich wiederhergestellt.

 

Die Gesellschaft Jesu nach der Wiederherstellung

 

Hier lassen sich zwei Etappen unterscheiden: die Zeit im 19. Jhdt. bis ungefähr zum Beginn des 2. Weltkrieges, und die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg bis heute.

 

1) Der Orden im 19. und in der 1. Hälfte des 20. Jhdts.

 

Schon vor der offiziellen Wiederherstellung hatte der Orden in England und in den Vereinigten Staaten von Nordamerika sich niederlassen können. Nach der Wiederherstellung fasste er in Frankreich Fuß, das nach der französischen Revolution und nach der Ära Napoleons dringend der religiösen Erneuerung bedurfte. Zahlreiche Kollegien wurden gegründet. Ähnlich bald auch in anderen Ländern Europas. Außer in den Kollegien waren die

Mitglieder vielfach in sog. Volksmissionen tätig.

 

Doch wirkten die Jesuiten damals eher im Sinne einer Restauration, wie sie auf politischem Gebiet bereits auf dem Wiener Kongress für die kommenden Jahrzehnte vorgegeben worden waren, wie sie auch die katholische Kirche und der Papst als Oberhaupt des Kirchenstaates gegen den aufkommenden Nationalismus und Rationalismus vertrat. Die Jesuiten als "treue Soldaten" des Papstes machten sich bei den liberalen Kräften Europas bald unbeliebt. Sie wurden teilweise erneut vertrieben, sogar aus Russland, ebenso aus Spanien und Portugal.

 

Intern setzte der Orden auf straffe Disziplin. Um 1850 zählte er wieder ca. 6000 Mitglieder und zahlreiche Kollegien. Neue Missionen wurden gegründet: in Indien, Südamerika, Australien. Auch innerkirchlich konnte der Orden seine Position ausbauen und festigen. Mehrere Jesuitenzeitschriften entstanden: in Italien die römische "Civiltá Cattolica", in Deutschland die "Stimmen aus Maria Laach" (die heutigen "Stimmen der Zeit"), in Paris die "Etudes". Hierin nahm der Orden im Sinne der katholischen Kirche zu aktuellen Fragen in Kirche, Politik und Gesellschaftslehre Stellung.

 

Die wachsende Bedrohung der Kirche durch neue geistige Strömungen wie Liberalismus und Fortschrittsglaube, Agnostizismus und Sozialismus führte dazu, dass die Kirche sich zunehmend gegen diese Strömungen abschottete und von den Katholiken Uniformität im kirchlichen Denken einforderte. Ein Dialog mit diesen modernen geistigen Strömungen kam nicht zustande. Im Gegenteil!

 

Das kirchliche Bücherverbot, der sog. "Syllabus" von 1864, die Verkündigung der "vollen und höchsten Jurisdiktionsgewalt des Papstes über die ganze Kirche" und das Dogma der Unfehlbarkeit des Papstes auf dem 1. Vatikanischen Konzil von 1870 sind beredter Ausdruck dieser defensiven Haltung der Kirche, die von den Jesuiten mehrheitlich entscheidend mitgetragen wurde.

 

Infolge dieser vom Orden mitgetragenen Abgrenzungspolitik kamen die Jesuiten in neue Schwierigkeiten mit liberalen und protestantischen Regierungen. In Deutschland verbot Bismarck im sog. Kulturkampf 1872 den Jesuitenorden durch die "Jesuitengesetze", die bis 1917 in Kraft blieben. Der Orden erhielt den Stempel einer konservativen und ultrapäpstlichen Organisation, der durch die päpstliche Gesinnung vieler Jesuiten im sog. Modernistenstreit unter Papst Pius X. zusätzlich genährt wurde.

 

Zur Abwehr solcher "modernistischer Strömungen" in der Bibelwissenschaft und Glaubenslehre wurde in Rom 1909 das Päpstliche Bibelinstitut gegründet und den Jesuiten anvertraut, die dort bereits seit langer Zeit die im 16. Jhdt. gegründete Universität "Gregoriana" betreuten. Gerade das Bibelinstitut sollte jedoch, statt der Verteidigung althergebrachter kirchlicher Positionen, langfristig die gegenteilige Richtung führen, und dem Orden und dann auch der Kirche helfen, das katholische Defizit in den Bibelwissenschaften allmählich aufzuholen. Doch damit sind wir schon in der Zeit des letzten Schritts unserer Betrachtung des Jesuitenordens angelangt.

 

2) Die zweite Phase der Gesellschaft Jesu

 

Diese zweite Phase des Ordens setzte teilweise mit denVerfolgungen ein, die der Jesuitenordens in der Zeit der Hitlerdiktatur in Deutschland und Europa zu erleiden hatte. Vor allem aber hängt sie mit der geistigen Umbruchsituation zusammen, die seit dem zweiten Weltkrieg die abendländische Welt mit bisher ungeahnten Experimenten und Erneuerungen konfrontiert. Dieser geistige Umbruch ist bis heute nicht abgeschlossen.

 

Diese neue Phase kann hier nur ganz kurz umrissen werden. In der Zeit von Hitlers Regierung in Deutschland und während des letzten Krieges wurde der Orden zunehmen behindert und unterdrückt. Im Krieg selbst wurden die Mitglieder des Ordens für "wehrunwürdig" erklärt und aus der Wehrmacht ausgestoßen. Zahlreiche Jesuiten waren in Konzentrationslagern, vor allem in Dachau; mehrere wurden hingerichtet.

 

Umso größer war das Wachstum, das der Orden nach dem Krieg erlebte, besonders in den USA, in Spanien, aber auch in Deutschland. Um 1964 zählte der Orden rund 36.000 Mitglieder und war mit Abstand der größte Orden innerhalb der katholischen Kirche.

 

Seither geht die Zahl der Jesuiten allerdings stetig zurück entsprechend einem generellen Trend in der westlichen Welt, wovon auch andere Orden und der Priesternachwuchs in der Kirche dramatisch betroffen ist. So zählte der Orden am 1. Januar 2006 nur mehr 19.500 Mitglieder, was im Vergleich zu 1964 einen Rückgang von ca. 16.500 Mitgliedern bedeutet. Von diesen 19.500 Mann sind 13.700 Priester, 3060 Priesterstudenten, 1865 Laienbrüder und 897 Novizen, welche die ersten zwei Probejahre absolvieren.

 

Organisatorisch ist der Orden in 10 Assistenzen aufgeteilt, d.h. in Verwaltungseinheiten, denen jeweils ein Pater als "Assistent" vorsteht. Jeweils mehrere "Provinzen" einer Region, denen ein "Provinzial" vorsteht, werden in Rom von einem "Assistenten" des Generaloberen betreut. So gehört z.B. die Österreichische Provinz zur Assistenz von Zentraleuropa, der außerdem fünf weitere Provinzen angehören: Deutschland, Schweiz, Holland, Litauen und Ungarn. Diese Assistenz ist mit 746 Mitgliedern die kleinste, während die von Südasien (mit Indien) mit über 4000 Jesuiten die größte Assistenz ist (vor den USA mit über 3000 Mitgliedern).

 

Die Tätigkeit des Ordens heute ist weltweit und weit gespannt: sie reicht über die Leitung von Universitäten bis zur Betreuung von obdachlosen Straßenkindern, von intellektuellen Schriftstellern und Redakteuren bis zur einfachen Seelsorge, von der Leitung von Radio- und Fernsehstationen bis zu Missionen in allen Erdteilen.

 

Es ist nicht möglich, hier näher auf diese vielfältigen Tätigkeiten einzugehen. Auch soll hier nicht zu sehr Propaganda für den Orden gemacht werden. Wer nähere Einzelheiten über diese Arbeiten erfahren möchte, für den gibt es eine kleine Broschüre mit dem Titel: "Der Jesuitenorden heute", erschienen im Jahre 2000 im Verlag Matthias Grünewald in Mainz. Das Büchlein ist über die Jesuiten in Wien (1. Bezirk), Dr. Ignaz-Seipel-Platz 1, zu beziehen.

 

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!